Beiträge zur Shakespeare Hans Küsswetter Beiträge Shakespeare Bacon Frage. Inaugural - Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der hohen philosophischen Fakultät der Friedrich -Alexanders -Universität Erlangen vorgelegt von Hans Küsswetter aus Ehingen. Tag der mündlichen Präfang: 19. Dezember 1905. Borna -Leipzig Buchdruckerei Robert Noske 1906. I Digitized by Google Seinen lieben Eltern in tiefster Dankbarkeit gewidmet. |ß1958 Digitized by Google Inhaltsverzeichnis. Seite VII— VIII Eratflr Teil. . . . 1—12- Zweiter Teil. . . . 12—12 Dritter Teil. . . . 21—23 Vierter Teil. . . . 23-27 , . . 27—28 Digitized by Google Digitized by Google Literaturverzeichnis. Anglla, XVIH und XIX. Bacon, Essays 1597. Boccaccio, The Decameron, printed by Isaac Jaggard. 1620. Bormann, Edwin, Der Shakespeare-Dichter. Wer wars und wie sah et aus? Leipzig 1902. Bormann, Edwin, Das Shakespeare-Geheimnis. 1894. Bormann, Edwin, Der Anekdotenschatz Bacon-Shakespeare. 1895. 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Theobald, Shakespeare Studies in Baconian Light. 1901. Ferner : Alle im britischen Museum befindlichen Autorausgaben Shakespeares. Das Northumberland-Manuscript im Original. Der Promus im Original. Die Folioausgabe. The Wonderful yeare 1603, printed by Th. Creed. Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd. 33, von F. A. Leo. Journal of the Bacon Society Vol. I u. II. 1886-91. Digitized by Google I. Von philologischer Seite wurde auf die Shakespeare-Bacon-Frage nur selten eingegangen. Oer Ruhm Shakespeares steht zu fest, als daß er irgendwie ernstlich angetastet werden könnte. Erst in den achtziger Jahren, als Mrs. Henry Pott ihren berühmten Promus ver- öffentlichte und die Baconianer auf Grund wissenschaftlicher Unter- suchungen sich bemühten, ihre Theorie zu stützen, haben einige Philologen, namentlich Wilker, Lentzner und Schipper, der Frage Beachtung geschenkt. Seit Mrs. Henry Pott hat kein Baconianer mehr bis zur Mitte des verflossenen Jahrzehntes versucht, auf wissen- schaftlichem Wege zu arbeiten. Seit dem Jahre 1894 veröffentlicht nun in Leipzig der frühere Liederdichter Edwin Bormann eine Reihe von Broschüren und Büchern, in welchen er mit unermüdlichem Eifer den Beweis zu erbringen sucht, daß der Philosoph und Staatsmann Francis Bacon der Ver- fasser der Shakespearestücke ist. Er hat nicht weniger als 15 Werke verfaßt, welche, immer unter andern Titeln erscheinend, dieselbe Frage behandeln. Sein erstes Buch erschien im Jahre 1894 unter dem Titel: „Shakespeare-Geheimnis 41 . Wie sehr es ihm in diesem Buche gelungen ist, für seine Behauptungen Begeisterung zu erregen und Anhänger zu gewinnen, beweist ein Artikel in der Münchener Allgemeinen Zeitung, der ein Jahr später am 13. April von Professor Ludwig Scharf erschien: ,, Alles in allem genommen, liegt die Hauptstärke des Bormannschen Werkes darin, daß der Verfasser den bisher einseitigen Weg ästhetisch- philologischer Kritik verläßt und sich auf den Boden exakter Forschung stellt, der er auch das stärkste Rüstzeug seiner wissen- schaftlichen Beweisführung entlehnt, und daß er sich nie und nirgends, auch nicht von früheren Anhängern seiner Theorie, auf Abwege führen läßt." Dieser Artikel liefert den hinreichenden Beweis, daß es Bormann gelungen ist, den Eindruck wissenschaftlicher Beweisführung zu er- wecken. Das „Shakespeare-Geheimnis" wurde von Harry Brett ins Englische übersetzt und rief eine große Begeisterung, namentlich in der Presse hervor: In England scheint sich die große Masse in dieser Frage mehr für Bacon zu entscheiden. Man sagt allenthalben, wie Digitized by Google der Verfasser dieser Arbeit zu beobachten reichlich Gelegenheit hatte: there is no doubt, Shakespeare did not write the plays. Während Bormanns Werk in England günstig beurteilt wurde, erfuhr es in Deutschland eine strenge Kritik. Es war hauptsächlich Kuno Fischer, welcher in seinem Vortrage Shakespeare- und die Bacon-Mythen, gehalten auf der deutschen Shakespeare- Versamm- lung in Weimar am 23. April 1894, Bormanns Behauptungen ent- gegentrat und die ganze Theorie verwarf. Neben Kuno Fischer schrieben J. Schipper und A. Tetzlaff Bro- schüren gegen die Behauptungen Bormanns und seiner Anhänger. Man hätte glauben sollen, daß sich Bormann nun zufrieden geben würde. Aber im Gegenteil, er veröffentlichte neue Schriften als Antwort auf die gegnerischen Beweise und suchte neues Material zur Stützung seiner Theorie. Er versäumt es auch nicht bei dieser Gelegenheit, seinen Gegnern einen kräftigen Hieb zu versetzen, wie z. B. Tetzlaff: „Ein junger Mann stößt in die Trompete, die ihm andere reichen." (Shakespeare-Dichter 1902 S. 83). J. Schippers Buch: „Der Bacon-Bazillus. Zur Beleuchtung des Shakespeare-Bacon-Unsinns" 1896, wird von unserem Shakespeare- Forscher folgendermaßen kritisiert: „Schon der Titel unlogisch: ein Bazillus, der beleuchtet! Der ordinäre Vergleich mit einem Bazillus und das unfeine Wort Unsinn auf dem Titelblatt lassen bereits ahnen, wie der Stil dieser Arbeit ist" (Shakespeare-Dichter S. 84). Bormanns neueste Werke größeren Umfangs erschienen 1902: „300 Geistesblitze und der Shakespeare-Dichter; Wer war es, und wie sah er aus?" Das letztere Werk, in welchem Bormanns Behauptungen so ziemlich alle zusammengefaßt sind, soll uns hauptsächlich im folgen- den als Führer durch Bormanns Theorien dienen und der Haupt- gegenstand unserer Untersuchung und Prüfung sein. Unsere Aufgabe soll es sein, die wissenschaftliche Basis Bormanns zu prüfen und zu sehen, ob seine Behauptungen, welche er in obigem Buche aufgestellt hat, eine wissenschaftliche Kritik ertragen können. Bevor wir jedoch an diese spezielle Aufgabe gehen, müssen wir zuerst den oben erwähnten Promus von Mrs. Henry Pott einer nähern Betrachtung unterziehen. Dieses Buch findet nur in wenigen Literatur- geschichten Erwähnung, gewöhnlich nur in denen, welche näher auf die Shakespeare-Bacon-Frage eingehen. Körting sagt in dem „Grundriß der Geschichte der englischen Literatur" S. 206 : „angeblich Baconscher Promus". Ebenso betrachtet L. Schipper in „Shakespeare und dessen Gegner 1895" S. 42 die Verfasserschaft Bacons als zweifelhaft: „Wegen der Ähnlichkeit der Schriftzüge mit der Handschrift Bacons hält man Bacon für den Sammler, ein sonstiges Zeugnis gibt es nicht" Digitized by Google Kuno Fischer, der dem Promus einige Seiten widmet, schreibt das Werk unter Anlehnung an Spedding, den Herausgeber der Baconschen Werke, teilweise Bacons eigener Hand zu. Wir sehen, Bacon wird nicht allgemein für den Verfasser des Promus gehalten. Da nun der Promus auch bei unserm Shakespeare-Forscher eine Hauptrolle, wie später ersichtlich, spielt, so müssen wir uns zuerst Klarheit über dieses Schriftstück verschaffen. Zunächst eine Beschreibung seiner jetzigen Form: Im britischen Museum findet sich in der Manuskriptensammlung ein Band mit der Aufschrift: „Miscellaneous Papers Harley 7017." Den Inhalt dieses Bandes bilden MSS. des verschiedensten Inhaltes und der verschiedensten Zeiten. Im ganzen sind es 360 Folioblätter. Bei näherer Untersuchung ergibt sich, daß ein Teil der Blätter einen äußerlichen Zusammenhang zeigt, in dem sich von Blatt 83 — 133 (nicht Blatt 132, wie Mrs. Pott in der Einleitung ihrer Promusaus- gabe bemerkt) lauter Sentenzen, Zitate, Phrasen der verschiedensten Sprachen finden, lateinisch, griechisch, englisch, französisch, italienisch und spanisch. Blatt 85 trägt den Titel: ,, Promus of Formularies and Elegancies' 4 und zugleich das Datum des Anfanges der Arbeit: 5. Dezember 1594. Doch Blatt 83 und 84 gehören schon zu dem Promus und sind also vorausgenommen. Von Blatt 83 — 133 entdecken wir außer der fortlaufenden Nummer des ganzen Bandes eine weitere Numerierung, welche von dem Sammler der einzelnen Promusblätter herrührt Derselbe nahm die Blätter, wie sie ihm in die Hände kamen, schrieb die entsprechende Nummer hin, ohne auf den Zusammenhang der Blätter zu sehen, wofür die Tatsache, daß zwei Blätter (83 und 84) vorausgeschickt sind, spricht Bei genauer Prüfung von Blatt 85 sehen wir außer der fortlaufenden Blattnummer 85 des ganzen Bandes — diese ist mit Bleistift geschrieben — und außer der Ziffer des Sammlers der Promusblätter 3 auf der rechten Hälfte oben die Ziffer 1. Dieses Blatt ist also dreimal numeriert. Und zwar finden wir diese 3 Ziffern bis zu Blatt 105 der Harleiana oder 23 des Promussammlers oder 11 dieser letzten Numerierung. Von 105 ab verschwindet diese dritte Zahl vollständig. Diese letzte Numerierung bezieht sich also immer auf 2 Folios und ist in derselben Tinte und Handschrift , wie der Text des betreffenden Blattes , ge- schrieben. Mithin steht die Annahme fest, daß der Verfasser des Promus ein Sammelwerk beabsichtigte, es aber unvollendet ließ und nur gelegentlich neue Notizen hinzufügte. Diese Vermutung wird be- stärkt durch die Tatsache, daß von Blatt 85 — 106 inkl., also auf den Blättern mit 3 Ziffern, die Blätter ganz von oben bis unten voll- geschrieben sind und also wohl im Zusammenhange, d. h. ohne — 4 — längere Zwischenpausen, geschrieben sind. Von Folio 107 ab finden sich immer nur wenige Notizen und die Blätter sind meistenteils nur halb beschrieben. Es ist also klar, daß der Schreiber nur immer gelegentlich Notizen machte und wenig Wert auf das ganze legte, denn sonst hätte er wohl nicht immer einen neuen Bogen genommen. Der Verfasser hat also ein Sammelwerk beabsichtigt, es aber durch andere Arbeiten unterbrochen, gelegentlich wieder daran gedacht und Notizen gemacht, auf die einzelnen Blätter wenig Sorgfalt gelegt und schließlich keine bestimmte Ordnung der Blätter beobachtet. Der Zweck, den der Verfasser im Auge hatte, war wohl, entweder seine freie Zeit nützlich auszufüllen oder sein Ge- dächtnis zu üben und zu stärken. Von Blatt 129 — 133 finden wir eine neue Handschrift. Die Blätter sind von oben bis unten voll geschrieben und ihr Inhalt entspricht in jeder Weise dem vorausgehenden. Es ist anzunehmen, daß der Verfasser des Promus einem Schreiber die Sentenzen und Zitate diktierte oder sie von ihm abschreiben ließ. Auf jeden Fall gehören diese letzten Blätter zum Promus und zeigen nur die Hand- schrift eines Schreibers, der im Auftrage des Promus -Verfassers tätig war. Auf Blatt 114 finden wir: Formularis Promus 27. Januar 1595 ; eine weitere Jahreszahl ist nicht zu finden. Auf der Rückseite des Doppelblattes 109 sehen wir die Ziffer 4. auf der Rückseite von Blatt 111 die Ziffer 3 und auf Blatt 113 Ziffer 2. Diese 3 Blätter sind Doppelfolios; das 2. Blatt ist stets unbeschrieben und enthält auf der Rückseite die eben genannten Ziffern. Die entsprechende 1 ist nicht vorhanden. Diese Ziffern nun sind wieder von derselben Hand und in derselben Tinte wie der übrige Text geschrieben. Also treffen wir wieder die Spuren einer Anordnung der Blätter, welche verloren gegangen ist. Eine weitere Beobachtung muß ferner angeführt werden: Auf Blatt 110 steht rechts oben in der Ecke ein a und auf 112 oben rechts ein b. Diese beiden Buchstaben a und b sind wieder in derselben Tinte und von derselben Hand wie der übrige Text, und vollständig verschieden von der übrigen Numerierung (des Sammlers der Harleiana und des Promussammlers). Hieraus geht hervor, daß wir überall auf Spuren einer ursprüng- lichen Ordnung stoßen, welche durch die Einverleibung der Promus- blätter in Sammlungen verschwunden ist, wenn sie nicht vom Ver- fasser selbst aufgegeben wurde. Der Umstand, daß die oben er- wähnte „entsprechende 1" auf der Rückseite keines Blattes zu finden ist, berechtigt zur Annahme, daß verschiedene Blätter verloren ge- gangen sind. Auf jeden Fall ist erwiesen, daß die jetzige Ordnung der Promus- Digitized by Google — 5 — blätter eine ganz willkürliche ist. Die Entstehungszeit der einzelnen , Blätter anzugeben, ist vollständig unmöglich, die zwei oben er- wähnten Daten geben uns die Zeit von 1594 — 1596 an; wir können aber sicherlich annehmen, daß sich die Sammlung auch noch weiter erstreckt. Nach dieser Beschreibung des Promus soll der Verfasser fest- gestellt werden. Wir haben schon erwähnt, daß Körting und Schipper es nicht für erwiesen erachten, daß Bacon der Verfasser ist Ebenso schließt sich Tetzlaff dieser Anschauung an. Spedding hat einen Teil des Promus in die Gesamtausgabe der Baconschen Werke aufgenommen und ihn mit einer Einleitung versehen. In dieser sagt er, daß Bacon teilweise selbst den Promus geschrieben hat, teilweise ihn von einem Schreiber hat schreiben lassen. Bickley, der Herausgeber des Promus (1898) schreibt in der Vorrede seines Buches, daß der Promus von Bacons eigner Hand stammt mit Ausnahme der letzten Seiten. 1. Lee in seinem „Shakespeare Life" (1900) sagt: „Bacons Promus of Formularies and Elegancies, a commonplace book in Bacon's handwriting was first edited by Mrs. Henry Pott." Wir sehen also hier zwei verschiedene Ansichten. Die deutschen Forscher Körting, Schipper, Tetzlaff sind gegen Bacon, die englischen Spedding, Bickley und Lee sind für Bacon. Dieser Gegensatz ist sicherlich damit zu erklären, daß Körting, Schipper, Tetzlaff den Promus nicht im Original gesehen haben, während dies bei den drei englischen Forschern zweifellos der Fall war, denn eine Vergleichung der Handschrift des Promus mit andern Manuskripten Bacons führte zu dem sichern Resultat: Bacon hat den Promus mit Ausnahme der letzten Seiten mit eigener Hand geschrieben. Zur Vergleichung wurden die MSS. Bacons herangezogen, welche den beiden Daten im Promus 5. Dezember 1594 und 27. Januar 1595 (1596 nach unserer Zeitrechnung), welche dieser Zeit am nächsten liegen. Hauptsächlich sind es Briefe, wie folgt: L Francis Bacon to Richard Youny, 2. September 1594, Lambeth MSS. 650, 186. 2. Fr. Bacon to his Brother Anthony, October 1594, Lambeth MSS. 650, 197. 3. Fr. Bacon to his Brother Anthony, 10. December 1594, Lambeth MSS. 650, 227. 4. Fr. Bacon tohis Brother Anthony 13. December 1594. Lambeth MSS. 650, 225. 5. Fr. Bacon to his Brother Anthony 25. January 1594 (95) Lam- beth MSS. 650, 28. 6. Francis Bacon to the Lord Keeper 28. Sept. 1594 Hart. MSS. 6696, 216. Digitized by Google Ein Vergleich dieser Handschriften mit dem Promus führt zu obigem Resultat. Vergleiche mit andern MSS. Bacons ergeben gleich- falls, daß Bacon der Verfasser des Promus ist. Hauptsächlich war es ein Notizbuch im britischen Museum, vom 25. Juli 1608 bis zum 28. Oktober 1609 stammend, welches den Beweis für Bacon am klarsten erbrachte. Denn es zeigte die Hand- schrift Bacons in recht verschiedener Fassung, einmal mit mehr, ein- mal mit weniger Sorgfalt geschrieben. Und dies trifft bei dem Promus gleichfalls zu, da er ja auch nichts anderes als ein Notizbuch von Redewendungen ist Mein Ergebnis, daß Bacon den Promus teilweise mit eigener Hand geschrieben hat, wurde noch bestärkt durch eine persönliche Rücksprache mit Herrn Bickley, Keeper of the MSS. Room, der mir erklärte : ,,That is undoubtedly Bacon s handwriting." Wenn also die deutschen Forscher Körting, Schipper und Tetz- laff Bacon nicht für den Verfasser gehalten haben, so erklärt sich das daraus, daß sie den Promus, bei seiner sonstigen literarischen Unwichtig- keit, nicht selbst untersuchten oder Handschriftenvergleiche anstellten. Nun zurück zu Bormann ! Natürlich finden wir auch bei ihm den Promus überall erwähnt. In seinem Buche der ,, Shakespeare- Dichter" lesen wir unter dem Titel: „Worauf gründet sich die Ver- mutung, daß Francis Bacon der Shakespeare-Dichter ist? B. die äußeren Gründe", die folgenden Zeilen: „In der Bibliothek des British Museum zu London liegt ein Bündel großer Manuskriptblätter, teils von Schreiberhand, zum größern Teile von Bacons eigener Hand geschrieben ..." Die Blätter stammen ungefähr aus dem Jahre 1594, sind also älter als irgend welcher mit Namen bezeichneter Shakespeare-Dramendruck, ins- besondere auch älter als die Erstausgabe von ..Romeo und Julia" (1597), die Erstausgabe des „Hamlet" (1603) und die Erstausgabe des „Kaufmann von Venedig'* (1600) . . . Das Blatt (111) zeigt so sonderbare Aufzeichnungen wie: „Guten Morgen. Bon iour. Bon jour. Bräutigam. Spätes aufstehen, im Bette finden, Rufe aufzustehen, rome. Morgen- musik. Der Hahn. Die Lerche. Amen." Auch einige gedanklich wichtige Notizen sind darunter, wie: „Gut zu vergessen. Die Schwingen des Morgens. Goldner Schlaf. Was ist der Schlaf als nur ein Trugbild des eisigen Todes." Was sollen die Notizen : Der Hahn , die Lerche , Morgenmusik, spätes Aufstehen? Es sind nichts als Vornotizen zu gewissen Scenen der Tragödie „Romeo und Julia". In seinem „Shakespeare-Geheimnis" schreibt Bormann S. 291 ff.: „Diese Blätter sind erwiesenermaßen um Weihnachten 1594 geschrieben . . . Jedermann muß zugeben, daß die Seite 111 vom Jahre 1594 nichts anderes ist als eine Vorarbeit zu der 1597 im Dmcke erschienenen Tragödie." Digitized by Google In seinem ,, Shakespeare' s Debüt" (98) SS. 17 lesen wir: ,,In der Bibliothek des British Museum in London befindet sich ein Manuskriptbündel , zum großen Teil von Bacons eigner Hand ; einige dieser Blätter sind, wie Fr. Pott, und noch eingehender mein „Shakespeare-Geheimnis" nachgewiesen hat, direkte Vorarbeiten zu Romeo und Julia, die drei Jahre älter sind als die erste anonyme Publikation dieser Liebestragödie." Bormann behauptet also in seinem Shakespearedichter diese Blätter stammen „ungefähr" aus dem Jahre 1594, also sind sie älter als jeder mit Namen bezeichnete Shakespearedramen-Druck. Wie sonderbar diese Logik ist, beweist das „ungefähr". Er gibt sozusagen zu, daß das Datum unbestimmt ist, aber gleichwohl zieht er daraus einen bestimmten Schluß. Noch weniger konsequent ist Bormann , wenn wir seine in dem Shakespeare-Geheimnis nieder- geschriebene Behauptung betrachten, wo er die Blätter erwiesener- maßen um Weihnachten 1594 entstehen läßt Auch kümmert es Bormann wenig, wenn aus dem zuerst einen Blatt (111), welches die Vorarbeit zu Romeo und Julia enthalten soll, gelegentlich „einige" werden, wie er in seinem „Shakespeare's Debüt" behauptete. Nach diesen äußerlichen Tatsachen soll nun das berühmte Blatt 111, die Vorarbeit zu „Romeo und Julia", betrachtet werden. Ich war nicht wenig erstaunt, als ich beim Aufschlagen des Promus dieses fragliche Blatt vollständig unbeschrieben fand und nichts weiter sah als die laufende Ziffer. Es war vielmehr Blatt 112, welches die fraglichen Redewendungen enthielt. Nun kann man annehmen, es liege ein Druckfehler vor. Daß dies nicht der Fall ist, sieht man, wenn man Bormanns Quelle untersucht. Welche Grund- lage hatte Bormann für seine mit so wissenschaftlicher Strenge aus- gesprochene Behauptung? Hat er wohl selbst das Original in Händen gehabt und auf Grund eingehender Prüfung das obige Resultat erhalten ? Wir haben erwähnt, daß der Promus zuerst von Mrs. Henry Pott 1883 herausgegeben wurde und 1898 von Bickley. Also, wenn Bormann eine Quelle benutzt hat, kann es nur Mrs. Pott gewesen sein, da sein Buch „Das Shakespeare-Geheimnis" 1894 erschien. Und in der Tat entdecken wir bei Mrs. Pott das Versehen mit 111 statt 112. Sie hat wohl die Zahl ungenau abgeschrieben oder es liegt ein Druckfehler bei ihrem Buche vor. Wir folgern: Bormann hat zweifellos den Promus im Original nie in Händen gehabt und nur Mrs. Potts Ausgabe benutzt. Auf ganz wissen- schaftlichem Boden steht also Bormann keineswegs, denn sonst hätte er wohl eine Reise nach London gemacht und dieses MS., das für ihn so wichtig ist, in Augenschein genommen. Es mögen nun diese Notizen, die „Vorarbeit" zu Romeo und Juliet, folgen (nach dem Original; die beigegebenen Zahlen sind nicht im Original): — 8 — 1. good morow. 2. good swear. 3. good trauaile. 4. good hast. 5. good matens. 6. good betyraes. 7. banum mane. 8. bon iouyr. 9. bon jour (bridgrome). 10. good day to rae and good morow to you. 11. I have not stayed all my prayers tili I have bid you good morow. 12. Late rysing, fynding a bedde early risinge sumons to ryse. 13. Diluculo surgere salu berrimum est. 1 4. Surge puer mane sed noli surgere vane. l ) 15. You will rise afor yo r betters y e sonne. 16. Per mucho madrugar no amanece masayna. 17. Qui a bon voisin a bon matin. lodged next 18. Stulte quid est somnus gelidae nisi mortis imago. 19. Longa quiescendi tempora fata dabunt 20. Albada. 21. golden sleepe. 22. early up & neuer y e neere. 23. The wings of y e morning. 24. The youth & spring of y e day. 25. The Cock. 26. The Larke. 27. Court howres. 28. Constant a bedd whe you are bed; & up whe you are up, 29. Trew men's howres. 30. Is this your first flight & I do not as byrds doe for I fly owt of my feathers z. Is not a faire one. 31. Sweet fresh of y e mornyng. 32. I pray god your early rising doe yow no hurt. 33. Amen whe I use it. 34. I cannot be ydle up as you canne. 35. You could not sleep for your ill lodging; I cannot get out of my lodginge. 36. You have an alarnf in your head. 37. Black heads & clock heads. 38. There is a law against lyers a bedde. 39. You have no Warrant to ly by a bedde. 40. Synce your are not gott up turn up. l ) Nr. 14 ist die wichtigste Notiz. Digitized by Google — 9 — 41. Hott cockles without sand. (Es folgt im Original ein Strich.) 42. God night 43. Well to forgett. 44. I wish you may so well sleepe as you may not fynd yor yll lodging. Bickleys Ausgabe stimmt mit vorliegendem Texte vollständig überein mit Ausnahme von Nr. 12, wo er summons schreibt. Ich konnte kein Zeichen finden, welches diese Schreibweise rechtfertigt. Statt whe hat Bickley immer when gesetzt. Ganz anders verhält sich zum Original Mrs. Potts Ausgabe. Es sollen ihre hauptsächlichsten Abweichungen vom Original folgen: Nr. 7 fehlt. Nr. 13. Dilubulo surgere salubrium. Nr. 14, Surge puer mane surgere. rome (=vane Diese Notiz wird später erklärt werden.) Nr. 18. Falsa quid est sumnus gelidae nisi mortis imago. Nr. 21 fehlt, Nr. 24. The growth and spring of the day. Nr. 28. Abbed-rose you-out bed Up rouse. You are upp. Nr. 29. Por men's howres. Nr. 31. Sweet for sp of y e morning. Nr. 36. alarm. Nr. 40. Sync you are not got up turn up. Eine genauere Vergleichung ergibt, daß sie in diesen 44 Aus- drücken nicht weniger als 30 mal vom Originaltext abgewichen ist, indem sie gewisse Ausdrücke ausließ, andere Wörter einsetzte und auf die Schreibweise nicht die geringste Rücksicht nahm. Zu welch gewaltiger Irrung Mrs. Potts Ungenauigkeit führte, beweist Nr. 14. Engel und Kuno Fischer haben bereits auf diese Stelle hingewiesen. Es ist interessant zu sehen, wie Mrs. Pott zu dieser falschen Auffassung kam. Sie gibt den Satz in der Gestalt: ., Surge puer mane surgere" als einen einzigen Ausdruck, und bringt dann das neue Wort rome. Sie teilt also den lateinischen Vers in zwei unzusammenhängende Teile unter Auslassung zweier Wörter. Das fragliche Folioblatt 112 (nach Bormann 111) ist immer bis zur Mitte der Seite vollgeschrieben, in der Mitte befindet sich zwar ein Bruch, der aber aller Wahrscheinlichkeit nach auf mehr- faches Zusammenlegen des Blattes zurückzuführen ist und nicht von Bacon herstammt, da er nicht beachtet wurde. Das letzte Wort dicht am Bruchrand ist surgere. Bacon, der immer genaue Richtung eingehalten hatte, schrieb das noch fehlende Wort darunter, wie es bei andern Sätzen auch vorkam. Es ist vollständig unerklärlich, wie Mrs. Pott rome für Küsswetter. 2 Digitized by Google — 10 — vane lesen konnte und den guten Sinn des lateinischen Verses so mißverstehen konnte. Diese Tatsache berechtigt zu dem Schlüsse, daß Mrs. Pott die lateinische Sprache nicht versteht. Der Sinn des Verses ist: Stehe früh auf, aber stehe nicht umsonst früh auf, arbeite und sei tätig; oder einfach: „Morgenstund hat Gold im Mund'*. Wer den Satz in 2 Teile, die nicht zusammenhängen, trennt, beweist, daß er den Vers nicht erfaßt hat. Es ist eine auffallende Erscheinung, daß Mrs. Pott bei ihren lateinischen Kenntnissen sich an die Herausgabe eines MS. machte, das soviel lateinische Ausdrücke enthält. Auf jeden Fall, um wenig zu sagen, ihre Erklärung ist vollständig wertlos. Bormann kam diese falsche Erklärung gerade recht, er hat nicht verfehlt, sie gut auszubeuten. In seinem „Shakespeare -Geheimnis" S. 292 ff. gibt er einen Teil des Blattes 112 (111) wieder, natürlich nur Ausdrücke, die für ihn passen, ungefähr 30 hat er ausgelassen. Er ahnte wohl, daß kein vernünftiger Mensch diese unschuldigen Ausdrücke für einen Entwurf zu Romeo und Julia halten würde, wenn er sie alle zitieren würde. Zu Note 14 fügt er hinzu rom§, „offenbar der Name des Helden der Tragödie". Während Mrs. Pott zögerte, einen positiven Schluß zu ziehen, hat Bormann, ohne skrupulös zu sein, das Wort gelesen, wie er es brauchte. Er war sich wohl bewußt, daß eine solche „wissenschaftliche" Entdeckung in der Öffentlichkeit zieht und ihm neue Anhänger verschafft. Auch Blatt 110 mit dem Titel „Play" ist nach Bormann eine Vorarbeit zu einem Shakespeare-Drama: zu „Hamlet". Mrs. Pott weicht auf diesem Blatte ungefähr 15 Mal von dem Original ab. Es mag fast als überflüssig erscheinen, wenn man den Inhalt des Blattes 112 als sehr harmlos erklärt. Ein vorurteilsfreier Leser wird Bacon nicht zutrauen, daß er auf solche Weise seine drama- tische Tätigkeit verschleiert hätte. Das ganze besteht aus zusammen- hangslosen Sätzen über den Schlaf, die Nacht und den Morgen. Spedding sagt in seiner erwähnten Vorrede zum Promus: „A separate sheet in the same bündle is filled with forms of morning and evening salutations." Übrigens kommen einige von den angeführten Ausdrücken öfter im Promus vor. Auf Folio 90 b, welches Blatt verkehrt eingeklebt ist. lesen wir: Court houres, well to forgett, Art of forgetting. Die beiden ersten Notizen gehören zu Blatt 112, die letzte zu Blatt 110. Also wäre dieses Blatt 90 b nach Bormann eine Vorarbeit zu Romeo und Julia und zu Hamlet zugleich. Spedding sagt von Folio 110 in seiner Vorrede: ,it gives a summary of the different kinds of Plays. In the catalogue of particular histories, which were to combine into the great Nature and Experimental History that was to serve for the foundation of Digitized by Google — 11 — Philosophy the 123rd title is Historia Ludonira omnis generis. And it may be that he once thougt of drawing up directions for the execution to it." In demselben Kataloge findet sich unter Nr. 51 der Titel „Historia Somni et Insomniorum". Analog der Ansicht Speddings kann der Inhalt des Blattes 112 in Zusammenhang mit dem eben genannten Titel gebracht werden. Diese Ansicht wird bestärkt durch den Um- stand, daß die beiden Blätter 110 und 112 oben ein a (110) und ein b (112) zeigen. Diese Tatsache ist Spedding entgangen, er wurde vielleicht dann auch zur gleichen Ansicht bezüglich des Blattes 112 gekommen sein. Auf Blatt 85 steht, wie wir erwähnt haben, das Datum des Beginnes der Arbeit: 5. Dezember 1594, auf Blatt 114 ein weiteres Datum: 27. Januar 1595. Zwischen diesen beiden Blättern 85 und 114 sind die beiden wichtigen Blätter 110 und 112 eingereiht Mrs. Pott sagt (S. 68) : ,,The publication of Romeo and Juliet is fixed at 1597 and its compositum has been usually ascribed to 1594 — 1595. If this be «eorrect it agrees with the date of the Promus in folio 111 (NB.! 112) snpposing these to occupy their proper position in the series." Auf diese Vermutungen Mrs. Potts hin hat Bormann den Schluß gezogen : Diese Blätter sind erwiesenermaßen um Weihnachten 1594 geschrieben. Wir sehen, Bormann will den chronologischen Beweis führen; Romeo und Juliet ist 1597 erschienen, das Blatt mit den entsprechenden Ausdrücken ist 1594 entstanden, also ist -dies Blatt eine Vorarbeit zu Romeo und Julia und, da Bacon es geschrieben, so ist er auch der Verfasser der Tragödie. Daß Mrs. Pott über das Datum selbst Zweifel hegte, geht aus Obigem genugsam hervor. Sie war sich wohl bewußt, daß die Ord- nung der Blätter eine ganz willkürliche ist und daß es unmöglich ist, die Entstehungszeit eines einzelnen Blattes zu bestimmen. Ihr schwebte wohl Speddings Bemerkung in der Vorrede zum Promus vor: ,,This collection is of the most miscellaneous character and seems by various marks to have been afterwards digested into other collections which are lost." Wir haben oben bei der Beschreibung des Promus diese ver- schiedenen Numerierungen erwähnt und den Schluß gezogen, daß es vollständig unmöglich, die Daten der Folios festzusetzen. Wh* können höchstens nur vermuten. Auf jeden Fall muß die Behauptung Bormanns : Diese Blätter oder dieses Blatt ist um Weihnachten 1594 geschrieben, als voll- ständig unbegründet zurückgewiesen werden. Einen sichern Anhalts- punkt haben wir nicht gefunden. Mithin muß auch Bormanns chronologische Beweisführung fallen. Hierzu kommt noch, daß gründ- liche chronologische Forschung die Entstehungszeit von Romeo und Julia auf 1592/93 festgesetzt hat. Der Doppelselbstmord in Romeo 2* Digitized by Google u. Julia wird im Sommernachtstraum deutlich parodiert; dieser fällt auf 1594 ; also Romeo und Julia auf 1592/93. Aber derartige Tatsachen kann Bormann nicht verwenden, da sie ihn nicht zu seinem Ziele führen. Zum Schlüsse mögen nochmals alle gewonnenen Punkte zu- sammengefaßt werden. Bezüglich des Promus haben wir festgestellt daß ihn Bacon verfaßt und ihn auch mit eigener Hand, mit Ausnahme der letzten Blätter, welche von Schreiberhand herrühren, geschrieben hat. Bormanns Shakespeareforschung darf bezüglich des Promus nie und nimmer als wissenschaftlich bezeichnet werden. Au» der fatalen Verwechslung der Blätter 111 und 112, aus der kläglichen Auslegung der Sentenz ,,Surge puer mane, sed noli surgere vane". müssen wir folgern, daß er den Promus nie gesehen, sondern seine Behauptungen lediglich auf Mrs. Potts mangelhaftes Werk gegründet, ja sogar die Vermutungen dieser Frau zur Tatsache erhoben hat. Die chronologische Beweisführung muß ebenso wie die Be- hauptung, die Blätter 110 und 112 seien dramatische Entwürfe und Vorarbeiten, für nichtig angesehen werden. Es ist unmöglich, wegen der mangelhaften Ordnung einen Zeitpunkt streng festzusetzen; es ist unmöglich, daß der Inhalt des Blattes 112 und 110 für de» vorurteilsfreien Leser mit Shakespeare in Zusammenhang gebracht werden kann. Infolge der vielen Abweichungen Mrs. Potts vom Original auf Blatt 110 und 112 muß auch die Zahl der Sentenzen, welche auf 1655 festgesetzt wird (Körting, Gesch. der engl. LiL S. 206), als ungenau betrachtet werden. Bormann schreibt für die große Masse des Volkes und diese ist im allgemeinen nicht allzu genau informiert über die Shakespeare- Frage. Wie wohl er es versteht, sich Leser und Anhänger zu ver- schaffen, beweist die Entstellung des Wortes vane. Er weiß nur zu gut, daß derartige Mittel ziehen und geeignet sind, ihm „wissen- schaftlichen 14 Ruhm zu verschaffen. Ii. • Ein weiteres MS., mit dem Bormann seine wissenschaftliche Beweisführung begründet, ist das sogen. Northumberland MS. Es findet in den meisten seiner Bücher Erwähnung. Er verwickelt sich über die Entstehungszeit des Schriftstückes in bedenkliche Wider- sprüche und stellt über den Inhalt Behauptungen auf, die es wünschenswert erscheinen lassen, das MS. näher zu betrachten. Irregeführt durch Bormanns Bemerkung in ,,Der Shakespeare- Dichter", S. 228: . . . ,,des sogen. Northumberland Manuskripts, das Digitized by Google — 13 — aus den Jahren 1591 — 1596 stammt und gegenwärtig in der Bibliothek des British Museum in London aufbewahrt wird" . . . suchte ich im Vertrauen auf Bormanns Sicherheit in derartigen Dingen im MSS. Room dieses MS. zu bekommen, mußte aber erfahren, daß sich das MS. weder im Britischen Museum befindet, noch jemals befunden hat, sondern vielmehr im Privatbesitz des Herzogs von Northumberland ist, durch dessen außerordentliche Liebenswürdigkeit es mir ermöglicht wurde, das interessante MS. in meine Hände zu bekommen. Zunächst soll eine kurze Beschreibung des Schriftstückes folgen. Tetzlaff und Schipper gehen auf dasselbe nicht ein. Kuno Fischer dagegen widmet ihm ein ganzes Kapitel (III) in seinem Werke. Eine nähere Beschreibung finden wir auch bei ihm nicht, vielmehr gehen seine Ausführungen auf Speddings Conference of Pleasure (1870) zurück, in dessen Vorrede wir eine Geschichte, insbesondere die Entdeckungsgeschichte des MS. vorfinden. Im folgenden sollen nun Speddings Betrachtungen ergänzt und erweitert werden. Speddings Vorrede entnehmen wir: Im August des Jahres 1867 und nicht ums Jahr 1870, wie Bormann in seinem Buche „Der Autor Sir John Falstaffs" (1903) S. 8 schreibt — wurden Mr. Bruce, einem englischen Gelehrten, auf Veranlassung des Earl of Percy, dem späteren Herzog von Northumberland, von Northumberland House zwei Kisten von Papieren zur Prüfung übergeben. Unter diesen befand sich ein Bündel von Manuskripten, welches Abschriften von bekannten Werken Bacons enthielt, unter andern auch ein Masken- spiel Bacons, von welchem bis dahin nur Teile bekannt waren. Jedoch war das Bündel stark vom Feuer beschädigt, wodurch auch dieses MS. besonders an den Rändern und Ecken stark gelitten hatte. Bormann meint in seiner Broschüre „Der Autor Sir John Falstaffs" (1903) des Umstandes wegen, daß das MS. vom Feuer beschädigt ist, es sei zur Vernichtung bestimmt gewesen, was eine ganz un- begründete Vermutung sein dürfte; denn wenn dies der Fall wäre, so hätte man sich doch die Zeit genommen, es wirklich ganz zu verbrennen. Der für die Baconianer wichtigste Teil des MS. ist der Umschlag des ganzen; weil hier die Namen Shakespeare und Bacon neben- einander auftauchen. Auf der rechten Hälfte der Umschlagseite finden wir von oben nach unten folgende Titel: Mr. Frauncis Bacon of tribute or giuing what is dew The Praise of the worthiest Virtue „ „ ,, „ Affection n »> »» »» i) Power ii m m m Person Nach einem kleinen Zwischenraum folgende Titel: Earle of Arundells Letter to the Queen Speaches for my Lord of Essex at the tylt A Speach for my Lord of Sussex tilt. Digitized by Google — 14 — Leicesters Commonwealth (incerto autore) Orations at Graies Inn Revels QueenesMaes. By Mr. Prauncis Bacon. isb.i Nicht ganz deutlich.» Essayes by the same author William Shakespeare. Richard the Second Richard the Third Asmund and Cornelia. Ile of Dogs frumt By Thomas Nashe, inferior players. (NB.! inferior players im MS. undeutlich geschrieben und schwer zu erkennen.) Am Beginne dieser Inhaltsliste stehen noch zwei andere Titel, welche jedoch undeutlich sind und später eingeschoben zu sein scheinen : Philip' against Mounsieur Pa revealed. Der übrige Teil des Umschlages ist mit „scribblings" bedeckt; ein müßiger Schreiber hat seine Feder probiert oder aus Langweile die ihm bekannten Verfasser der Hauptstücke des vorliegenden Inhalts- verzeichnisses niedergeschrieben, ohne irgend eine Absicht dabei zu verfolgen, wenigstens finden wir den Namen William Shakespeare 7 — 8 mal, Frauncis Bacon 5 mal, ferner den Namen Thomas, Thomas Turner zirka 12 mal. Doch kehren wir zum Inhaltsverzeichnis zurück. Nach demselben wäre anzunehmen, daß entsprechende Werke im Umschlage folgen. Wir finden jedoch nur einen Teil: zunächst ist der Brief des Grafen Arundell an die Königin nicht vorhanden, dafür ein Aufsatz Bacons: ,,Advertissement touching the Controversies of the Church of England", welcher hingegen nicht auf der Liste steht. Es fehlt ferner der Schluß zu Leicesters Commonwealth und von da ab fehlen die übrigen Werke vollständig. Sie sind also verloren gegangen, wenn sie über- haupt in dem Bündel waren. Vergleichen wir die Handschriften, in welchen die einzelnen Titel der Werke geschrieben sind, mit der Handschrift auf dem Umschlage, so ergibt sich: Vom Beginne des ersten Werkes bis zu ,,The Praise of the worthiest Person" ist ein und dieselbe Handschrift; ihr entspricht auf dem Umschlage die Schrift vom Anfange bis zu dem Briefe des Grafen von Arundell und den „Speaches for my Lord of Essex 44 (exclusive). Es muß hier darauf aufmerksam gemacht werden, daß nur die Überschrift, nicht der Text selbst, der Schrift auf dem Umschlage gleich ist. — Von den ,,Speaches for my Lord of Essex" bis zum Schlüsse des ganzen (Leicesters Commonwealth) entdecken wir eine neue Handschrift, und zwar sind hier die Überschrift und der Text des Werkes in gleicher Schrift. Dieser Handschrift sind auf dem Umschlage alle folgenden Titel bis zu ,,Ile of Dogs" entsprechend. Digitized by Google — 15 — Es muß wiederholt werden; auf dem Umsehlage bis jetzt zwei Handschriften, im MS. selbst drei Handschriften, wovon jedoch nur zwei auf dem Umschlage zu finden sind. Nun kehren wir wieder zu Bormann zurück. In seinem Buche: ,,Der Shakespeare-Dichter" 4 & S. 50, sagt er: „In dem Bündel aber, in der zweiten verlorenen Hälfte befanden sich, wie das Inhalts- verzeichnis ausweist, auch die Dramen Richard II. und Richard III.; in der ersten Hälfte sind jetzt noch notorische Arbeiten von Francis Bacon, Teile eines gelehrten Maskenfestspieles zweier Shakespeare- Dramen noch vor ihrem Drucke mit Manuskripten Baconscher Arbeiten unter einer Decke." In seinem Shakespeare's Debüt 1898 sagt Bormann S. 17: ,,Wenn der Schauspieler William Shakespeare das Drama Richard II. von irgend wem entlehnt hat, so hat er es von Francis Bacon entlehnt, in dessen Manuskripten sich mehrere Jahre vor der Drucklegung des Manuskriptes der Tragödie Richard II. befand. Wir sehen also. Bormann behauptet: 1. Die Dramen Richard II. und Richard III. sind vor ihrer Drucklegung mit Bacons Werken in einer Mappe gewesen (wie er sich in seinem Shakespaere's Debüt S. 21 ausdrückt). 2. Die in dem Bündel enthaltenen Werke seien Manuskripte Bacons. Daß letztere Ansicht Bormanns, welche er, wie wir weiter unten sehen werden, in heftigen Ausfällen gegen Spedding vertritt, voll- ständig irrig ist, beweist ein Vergleich von Handschriften. Es ist sicher, daß Bacon nicht ein Wort an dem ganzen MS. geschrieben hat. Das Ganze enthält nur Kopien der aufgeführten Werke. Richard II. und Richard III. erschienen im Jahre 1597 im Druck» jedoch anonym. Gelänge es also Bormann, den Beweis zu erbringen, daß das MS. (d. h. der Umschlag) vor 1597 geschrieben wurde, so käme er seinem Ziele näher. Wie gewaltig er sich jedoch bei der Festsetzung der Entstehungs- zeit des MS. widerspricht, beweisen folgende Stellen aus seinen Büchern: 1. 1899 in Venus und Adonis, wo er das aus der Speddingschen Ausgabe herrührende Faksimile wiedergibt, schreibt er unter das Faksimile: ,,Der Umschlag des sogen. Northumberland Manuskripts stammt aus der Zeit 1596 und 1603." 2. 1902 in den 300 Geistesblitzen S. 149: „Die Manuskripte stammen unzweifelhaft aus dem letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts." 3. 1902 in der Shakespeare Dichter & S. 128. ,.. . . sogen. Northumberland Manuskript, das aus den Jahren 1591—1596 stammt." 4. 1903 in der Autor Sir John Falstaffs S. 9. „Das gesamte Manuskript stammt aus den Jahren 1590 — 1595." Digitized by Google — 16 — Bormann macht also vier verschiedene Angaben über die Ent- stehungszeit des MS. Ohne sich im geringsten um den Zeitpunkt zu kümmern, den er in seinen früheren Werken angegeben hat, schreibt er in dem letztgenannten Buche S. 9: ,.Da das gesamte Manuskript aus den Jahren 1590 — 1595 stammt, die beiden genannten Dramen (Richard II. und III.) aber erst 1597 gedruckt erschienen, so waren also noch vor ihrem Drucke zwei Shakespeare Dramen mit notorischen Prosaarbeiten Bacons unter einer Decke vereinigt." Nun soll es unsere Aufgabe sein, die Entstehungszeit des MS. festzusetzen. Wenn wir die beiden Shakespeare-Dramen und Bacons Essais außer acht lassen, so sind mit Ausnahme der Isle of Dogs (im MS. Ile of Dogs) alle aufgeführten Werke vor 1597 entstanden. Wir wissen, daß Thomas Nash im Frühjahr 1597 dieses Stück wenigstens teilweise verfaßte, wie ersichtlich ist aus dem Dictionary of National Biography B. XL p. 106. ,Henslowe agreed to accept a comedy for the lord admirals Company to be called; The Isle of Dogs. At the time Nash was in exceptional distress and had to apply to Henslowe for payments on account . . . Lent the 14 May 1597 to Jubie, (wrote Henslowe in his Diary p. 94) uppon a notte From Nashe, twentie shellings more for the Isle of dogges w ch he is wrytinge for the Company. Weiter lesen wir (Leuten Stuffe v. 200) daß Nashe die Ein- leitung und den 1. Akt schrieb. Die anderen 5 Akte wurden von den , players' verfaßt." Zugleich die Bemerkung: Asmund und Cornelia ist ein voll- ständig unbekanntes Stück, dessen Titel nirgends zu finden ist. Vor 1597 kann also der zweite Teil des Inhaltsverzeichnisses nicht geschrieben sein, also kann auch das MS. der Tragödien sich niclit mehrere Jahre vor ihrer Drucklegung mit Bacon MSS. zu- sammenbefunden haben. Es möge hier nun noch ein Wort über den verlorenen Brief des Grafen von Arundell gesagt werden. Der Story of Philip Howard, Chapter IV p. 98 Earl of Arundell (1858) entnehmen wir, daß der Brief des Grafen Arundell an die Königin Elisabeth 1586 nach der Verurteilung des Grafen Philip Arumclell geschrieben worden ist. Der Brief wurde jedoch wegen sei xi er Schärfe der Königin auf Veranlassung des Lord Chancellor nicht, übergeben. Es wäre vielleicht interessant, die Geschichte dieses Briefes zu verfolgen; vielleicht würde sich der frühere Besitzer dieses Northumberland MS. dadurch ermitteln lassen. Bei einer genauen Betrachtung des kreuz und quer beschriebenen Umschlages lassen sich mit Hilfe eines Vergrößerungsglases folgende Namen erkennen: "William, William Shakespeare 8—9 Mal, Francis oder Frauncis Digitized by Google** — 17 — Bacon 5 — 6 Mal, Thomas, Thomas Turner oder Tu (der Name Turner ist also nicht zu Ende geschrieben) 12 Mal, Anthony, der Name Earl of Arundell, sowie Ile of Dogs. Auf der Rückseite des Umschlagbogens steht, Anthonie ffitz- herbert, Thomas Turner und Turner, sowie neben ffitzherbert Imitatio refusing. Links vom Inhaltsverzeichnis ist der lateinische Vers deutlich zu lesen: „Multis annis iam transactis Nulla fides est in pactis Meli in ore verba lactis Fell in corde fraus in f actis." Darunter deutlich erkennbar honorificabilitudino. Weiter unten: Revealing day through euerie crannie peeps. Außerdem sind noch folgende Sätze und Worte zu erkennen: Vile velis. refusing all comfort. oppression of heart refreshing y e heart By your religion quoth leyre your lovinge ffriend ? refusing of bury (oder buy) und endlich eine Unmasse von Schreibübungen wie your, the, y. Vergleichen wir nun die Handschriften auf dem Umsclilage, so ergibt sich folgendes Resultat : 1. in der Aufzählung der einzelnen Titel sind 2 verschiedene Handschriften deutlich zu unterscheiden. 2. der lateinische Vers und das Wort honorificabilitudino sind von derselben Hand geschrieben, wie der zweite Teil des Inhalts- verzeichnisses. 3. alles übrige, die Namen, Sätze und die Schreibübungen sind von einer dritten Hand geschrieben, welche weder mit den Titeln noch mit dem Inhalt selbst etwas zu tun hat. Wir können also auf dem Umschlage drei deutlich von ein- ander verschiedene Handschriften unterscheiden. Blättern wir im MS. selbst herum, so finden wir wieder Schreib- übungen am Rande oder Schlüsse einer Seite, wie your th oder Ile of Dogs, ferner entdecken wir am Rande einer Seite der dritten Handschrift die Jahreszahl 1705. Aus alledem ist der Schluß zu ziehen: Der erste Schreiber ließ das Inhaltsverzeichnis unvollständig, ein zweiter, sein Nach- folger vollendete den Rest, welcher nur teilweise im MS. enthalten ist. Das MS. kam in andere Hände, deren Spuren wir als dritte Handschrift bezeichnet haben. — 18 — Die Jahreszahl 1705 gibt uns zweifellos den Zeitpunkt der dritten Handschrift an. Also alle ,.. scribblings", die Namen und die abgerissenen Sätze sind nicht in der Zeit Shakespeares und Bacons entstanden. Dieser dritte Schreiber ist wahrscheinlich ein gewisser Thomas Turner gewesen; denn diesen Namen lesen wir am häufigsten. Die erste Handschrift ist vor oder nach 1597 anzusetzen, die zweite zweifellos nach 1597. Bemühungen, über die Person des Thomas Turner etwas zu erfahren, waren fruchtlos. Sicherlich würden wir auch heutzutage bei der Betrachtung eines Blattes, worauf ein müßiger Schreiber „kritzelte", vor allem den Namen des Schreibers selbst entdecken, Verse, die in seiner lebhaften Erinnerung sind oder Briefanfänge und ähnliche Dinge. Wenn hier die Namen Shakespeare und Bacon nebeneinander auf- tauchen, so ist das damit zu erklären, daß dem dritten Schreiber beim Lesen der T i t e 1 die beiden größten Geisteshelden der Elisabethanischen Zeit in Erinnerung kamen und er ihre Namen hinschrieb. Es ist höchst interessant zu erfahren, wie Bormann das Vor- kommen der beiden Namen Shakespeare und Bacon erklärt. Wir lesen im „Shakespeare Dichter" & p. 50: „Dicht über den Worten Richard II. steht der Name William Shakespeare, links davon die Worte von Franeis, das Wort Francis ausgestrichen, nicht weit davon, etwas tiefer, das Wort Bacon. Hier liegt also die Tatsache vor, daß ein Schreiber des 16. Jahrhunderts die Dramen Richard II. und Richard III. mit dem Autornamen Francis Bacon versehen wollte, dann aber diesen Namen vernichtete und an seine Stelle das Pseudonym William Shakespeare setzte: By Francis William Shakespeare Bacon Richard the second Richard the third. Vor allem sei bemerkt, daß hier von einem Ausstreichen gar keine Rede sein kann. Hätte Bormann das MS. in Händen gehabt, so hätte er leicht entdecken können, daß das R in Richard mit einem Schnörkel sehr weit ausholt und daß das Wort „ffrauncis" von dem 3. Schreiber in diesen Schnörkel hineingeschrieben ist. Aus diesem Grunde ist dieses Wort auch undeutlich zu lesen. In „Venus und Adonis" p. 27, erklärte Bormann unter schweren Vorwürfen gegen Spedding, der diese scribblings nicht im Sinne Bormanns erklärte, daß alle auf dem Inhaltsverzeichnis stehenden Werke wohl sicherlich von Bacon herstammen und daß Bacon das MS. selbst verfaßt haben muß, wie er durch Vergleichung der Hand- schrift mit einem Briefe Bacons gefunden hat. Der Brief ist ein Faksimile für Bacons Handschrift in der Speddingschen Bacon- Ausgabe. Digitized by Google — 19 — In Venus und Adonis p. 217, sagt Bormann: ,, Obgleich manche dieser Nummern (NB.! d. h. die Nummern der einzelnen im Verzeichnisse aufgeführten Werke) anonym sind, so rühren doch diese Schriften sämtlich von Francis Bacon her. Mit Ausnahme von Nr. 12 können wir es beweisen". Von seinen Beweisen wollen wir nur einen anführen. In dem- selben Buche (S. 217 ff.) sagt er über den Brief des Grafen von Arundell : „Francis Bacon war der Verfasser aller in der Liste stehenden Sachen, er war dann auch vermutlich der Verfasser des Briefes, der dann unter dem Namen des Grafen von Arundell an die Königin gelangte". Wir haben erwähnt, daß sich unter den vielen Schreibübungen der Vers befindet: Revealing day through euerie crannie peeps. Hören wir Bor- mann darüber in Venus und Adonis p. 222 : ..Aber damit nicht genug, Herr James Spedding hat vollständig übersehen, daß sich unter dem Worte peeps noch das Wort ,,and" befindet. Da es nun sehr wenig üblich ist, einen angefangenen Satz hinter einem Worte abzubrechen, so suchen wir die Fortsetzung dazu. Und siehe, da ist sie ganz klar zu lesen: etwas schief hinter dem Worte „and* 1 das Wort „your", etwas tiefer genau parallel den vier Zeilen das Wort fee, dicht dahinter so und so oft William Shakespeare. Die Worte ,,your" and ,,fee" bilden also den Übergang von den Worten des Verses mit seinem ,,and" zu den Worten „William Shakespeare", d. h. die Fortsetzung des Shakespeare-Lucretia Verses lautet: and your fee W.Sh., das Ganze im Zusammenhange lautet: Crany peepes and your fee William Shakespeare. Crany bedeutet außer Ritze auch Wortspiel. Der Satz lautet also auf Deutsch: Enthüllender Tag blickt verstohlen durch jede Ritze (Wortspiel) und eueren Sold William Shakespeare. Denn das Wort fee, das sich an your" oder das ,,and" des Verses anschließt bedeutet Belohnung, Sold, Gebühren, Trinkgeld, Nebeneinnahme. Der abgeänderte Lucretia- Vers scheint uns sogar das Verhältnis enthüllen zu sollen, in dem Bacon -Shakespeare, der Dichter, zum Schauspieler Shakespeare stand: er bezahlte ihn für seine Namen." Wer jemals das MS. vor Augen gehabt hat, muß über diese unerhörte Entstellung staunen. Das Wort ,,and" gehört nicht zu ,,your", sonst wäre es doch im Zusammenhang damit geschrieben; your be- ginnt zwar hinter ,,and" geht fast bis ,,cranie" hinauf in schräger Richtung. Dicht daneben, in derselben Richtung finden wir ,,y", wahrscheinlich ist, daß dieses ,,your" ebenso wie in den anderen Fällen, eine bloße Schreibübung ist und nie im Zusammenhang mit dem Vers stehen kann, was schon die schräge Schreibweise aus- schließt. Ferner ist William Shakespeare nicht im Zusammenhange Digitized by Google — 20 — mit dem Worte ,,fee" geschrieben. Dieses Wort ist so undeutlich geschrieben, daß man es überhaupt nicht genau bestimmen kann, es kann auch see heißen. Wir sehen Bormann hat bei der Erklärung dieser Stelle seinen ganzen Scharfsinn benutzt, um eine günstige Lösung zu finden. Es ist hinreichend bewiesen, daß Bormann auch über dieses MS., das er selbst nicht gesehen hat, die unbegründetsten Be- hauptungen über seine Entstehungszeit, über den Inhalt und über den Verfasser aufgestellt hat. Über das MS. selbst als literarische Quelle ist zu bemerken, daß es unmöglich ist, eine bestimmte Behauptung über seine Entstehung aufzustellen. Die angegebenen Zeiten der zweiten und ersten Handschrift können sich sehr weit nach 1597 erstrecken, um so mehr, wenn man bedenkt, daß im MS. nur Kopien sind und die fehlenden Werke analog auch Kopien sein müssen. Sicher ist, daß die scribblings sehr spät entstanden sind und mit den Schreibern des MS. nichts zu tun haben. Den Namen Anthony mit Bacons Bruder in Verbindung zu setzen, wie es Bormann tut, ist unrichtig, denn wir lesen auf der Rückseite in derselben Schrift „Anthonie ffitzherbert". Immerhin wird das Auftauchen von Shakespeare Werken neben Bacon W T erken eine auffallende Tatsache sein, welche die Baconianer nach allen Richtungen auszubeuten verstehen. Selbst wenn Bacon der Besitzer des MS. gewesen wäre und er sich Kopien der ange- führten Werke hätte anfertigen lassen, so wäre noch lange nicht der Beweis erbracht, daß er Shakespeares Dichtungen geschrieben hat. Unterdessen ist ein Buch erschienen, das folgenden Titel trägt: Examination of an Old Manuscript preserved in the Library of the Duke of Northumberland at Alnwick and sometimes called the Northumberland Manuscript by T. Le Marchant Douse, Author of an Introduction to the Gothik of Ufilas. Die gründlichen und scharfsinnigen Forschungen von Le Marchant Douse ergeben gleichfalls ein für die Baconianer negatives Resultat. Die für uns wichtigen Ergebnisse sind folgende: Aus dem Umstände, daß von den elf Titeln auf der Inhaltsliste acht im Manuskript nicht erscheinen, schließt Marchant Douse, daß das Manuskript überhaupt nie mehr enthalten hat, als was es tat- sächlich enthält und daß die erwähnte Liste überhaupt niemals ein Index zu dem Manuskript war. Auf S. 3 § 8 schreibt er: Hence the folly of supposing that list I was an Index to the MS. is apparent . . . The quire originally contained only the „Praises* 4 : it then came under control of somebody who jotted down at intervals the titles of other papers which he jugded worth copying, or which were of interest as having some reference to, or connexion with, or as having been written by people whom he knew. Digitized by Google 21 — Damit fällt also das Hauptargument Bormanns, daß Arbeiten Bacons und Shakespeares unter einer Decke steckten, vollständig. Was Bacons Verhältnis zu dem Manuskript anlangt, so schreibt Le Marchant Douse S. 3 § 8 : ,,0f one thing we may be sure, — that neither Bacon nor any of bis people had anything to do wit the aforesaid list of titles." Bezüglich der Entstehungszeit sagt unser Forscher S. 4 § 11: „Spedding would date it 1598", — a good guess, if we suppose its Contents, including those of the front outer leaf, to have been written all in one year; but this was pretty certainly not the case. Le Marchant Douse vermutet, daß das Manuskript vom letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts bis ungefähr 1615 entstanden ist. Als Verfasser des „Scribble" bezeichnet er John Davies of Hereford, welcher als Lehrer und Schreiber im Hause des Earl of Northumberland tätig gewesen ist. Eine ungemein scharfsinnige Erforschung des „Scribble" führte Le Marchant Douse zu dieser Ansicht. Immerhin wird es eine auffallende Tatsache sein, daß wir den Namen John Davies of Hereford nirgends im Manuskripte ent- decken. Es ist doch anzunehmen, daß der „Scribbler", unter den vielen aufs Geradewohl hingeschriebenen Namen auch seinen Namen hingeschrieben hätte. Auf jeden Fall, und das ist für unsere Zwecke das wichtigste, hat diese Prüfung des Manuskriptes ergeben, daß Bacon und Shakes- peare auch hier nicht in dem Sinne Bormanns in Zusammenhang gebracht werden dürfen. Le Marchant Douse ist über diese Frage so erhaben, daß er ihr nicht mit einem einzigen Worte Beachtung schenkt. m. In seinem Buche ,,Der Shakespeare Dichter" & S. 128 schreibt Bormann: ,,Was ist honorificabilitudinitatibus ? Ein Wort, das sich bisher nur an drei Stellen vorgefunden hat, zweimal in Manuskripten, einmal gedruckt". Bormann schreibt in demselben Buche S. 128 ff.: „Das älteste Vorkommen des Wortes honorificabilitudinitatibus ist auf dem Umschlag des sogen. Northumberland MS. festzustellen. Das zweite Mal erscheint das Wort in seiner ganzen Länge wieder mit dem Namen Francis Bacon in Verbindung. Mrs. Pott hat unter den im British Museum aufbewahrten Manuskripten ein diesbezügliches Schema gefunden. (NB. Hierzu sei bemerkt, daß Digitized by Google — 22 dieses Schema trotz eifrigster Forschung von mir nicht entdeckt werden konnte.) Das dritte Mal kommt das Wort in Love's Labour' s Lost zum ersten Mal gedruckt vor im Jahre 1598." Mit diesem Worte hat es nun nach Bormann eine ganz be- sondere Bewandtnis; nach seiner Meinung ist Bacon der Erfinder desselben und hat darin angedeutet, daß er der Verfasser der Shakespeare Dichtungen sei. In dem oben erwähnten Buche S. 128, 129 ff. finden wir eine höchst scharfsinnige Erklärung dieses Wort- ungetüms : , .honorificabilitudinitatibus Lateinisch : honorificae-habilitudinis ita tibus; das ist der ausgezeichneten Geschicklichkeit tibus; oder: honorificahabilitudine ita tibus ; das ist ein tibus von ausgezeichneter Geschicklichkeit. Und ersetzen wir das nichts bedeutende Schlußwort „tibus*' durch das phonetisch fast gleichwertige „typus" (das Ganze ist ja ein typus, eine Figur), so erhalten wir die Lösung (warum statt „typus" „tibus" steht, wird im folgenden sofort klar werden): honorificae-habilitudinis ita typus (honorifica-habilitudine ita typus). Englisch: that is a type of honorific ability. Deutsch : das ist eine Figur von ausgezeichneter Geschicklichkeit. Von hinten gelesen lateinisch: subitat in id utili Bacifiron oh: Es erscheint darin plötzlich dem Geschickten Bacifiron, oh, ach. Bacifiron heißt auf deutsch : o ironischer, schelmischer, dissimulieren- der f Bacon. Beides zusammen gibt: Das ist eine Figur von außerordentlicher Geschicklichkeit, es erscheint darin plötzlich dem Geschickten ein ironischer f Bacon". Wir verzichten natürlich von vorneherein, auf die Details dieser schwierigen Konstruktion einzugehen. Nur wenige Bemerkungen. Der „Geschickte" kann natürlich nur Bormann sein, dem es endlich, nach mehreren Jahrhunderten, gelungen ist, das Rätsel zu lösen. Der äußerst interessante Lautwandel „tibus-typus" zeigt, daß unser sächsischer Shakespeareforscher, der eine Unmasse von Scharfsinn zur Erklärung dieses Wortes vergeudet hat, sogar die „phonetischen Feinheiten" seines heimatlichen Dialektes erfolgreich zur Lösuug der Shakespeare-Baeon-Frage verwendet hat Bormann schreibt, dieses Wort habe sich bisher nur an drei Stellen gefunden und zum erstenmal auf dem Northumberland MS. Daß diese Behauptung irrig ist, ergeben uns die Forschungen, welche Max Herrmann (Euphorion Bd. 1 S. 283 ff.) und Karl Borinski (Anglia XVIII u. XIX S. 135) über dieses Wort angestellt haben. Sie konnten dieses Wortungetüm bei Schriftstellern nachweisen, die lange vor Bacon und Shakespeare existiert haben. Also weder Bacon noch Shakespeare hat das Wort erfunden. Digitized by Google — 23 — Alfred von Mauntz hat in dem Jahrbuch der deutschen Shake- speare-Gesellschaft (Bd. 33 S. 271) die Forschungen von Herrmann und Borinski zusammengestellt Demnach kommt das Wort vor 1. bei Petrus Grammaticus (Petrus von Pisa) Handschrift aus dem 10. Jahrhundert, 2. im Liber derivationum des Uganio von Pisa, Handschrift aus dem 12. Jahrhundert, 3. im Catholicon des Johannes von Janua (Joannis de Balbis 1286), 4. in der Historia des Albertinuk Mussatus 1312, 5. in Dantes de Vulgari elequio, 6. in spätmittelalterlichen Wörterbüchern. In dieser Zusammenstellung wurde Reuchlin's Vocabularius breviloquus (1475 — 1504), wo sich unser Wort nach Herrmann gleichfalls findet, ausgelassen. Bei englischen Schriftstellern findet sich das Wort nach Professor J. Schick in einem Manuskripte von Hoccleve (Faksimile in der Ausgabe der E.E.T.S.), ferner nach Borinski in einer heraldischen Handschrift vom Ende des 16. Jahrhunderts (Brit. Museum Harley 61 13). Endlich nach Murray's N.E.D. in Marston's Dutch Conrtezan 1605. Es ist der hinreichende Beweis geliefert worden, daß Bacon nie und nimmer dieses Wort erfunden hat, um darin seine heimliche Dichtertätigkeit ,,dem Geschickten" anzuzeigen. Auch hier bricht wieder der ,, Boden exakter Forschung" Bormanns bei der einfachsten Probe zusammen. IV. Interessante Aufklärungen gibt uns endlich noch Bormanns „Kunst des Pseudonyms" 1901. Bormann sucht in diesem Buche zu beweisen, daß Bacon die Namen anderer benützte, um seine heim- liche Dichtertätigkeit zu verbergen. Da aber Bacon doch gerne ge- habt hätte, daß die Welt später seinen Namen erfahren möge, habe er überall seinen Namen angedeutet, sei es durch ein geistreiches Wortspiel, eine sinnreiche Anordnung gewisser Buchstaben oder durch eine bestimmte Wahl der Kopfleisten auf den Titelblättern und auf den ersten Seiten der Ausgaben. Bormann glaubt, Bacon habe seine Kopfleisten beim Drucke genau gewählt und sie besonders zu diesem Zwecke anfertigen lassen. In dem obengenannten Buche S. 51 lesen wir: ..Bacon & Speck." Wollte ein Autor, namens Bacon, seinen Namen bildlich in einem Buchschmuck anbringen, so hätte er es durch einen „Speckbauch", durch einen Fettwanst tun können. Und in der Tat; auf der ersten - 24 — Kopfleiste der Folioausgabe über der Widmungsepistel sitzt eia solcher Fettwanst. Dick sind seine Arme, feist seine Schenkel, speckig sein runder Schmerbauch. Diese Kopfleiste findet sich vier- mal in der Folioausgabe der Shakespeare Werke. Diese Ausgabe erschien 1623. Daß diese Kopfleiste nicht eigens für die Folioausgabe ange- fertigt wurde, sondern schon früher existierte, beweist die Tatsache, daß wir in dem Buche „The Faerie Queen The Shepherds Calendar" Together with the other works of England's Arch Poet Edmund Spenser, printed by B.H. 1611, dieselbe Kopfleiste finden. Also schon 1611 finden wir diese interessante ,, Speckwanst- kopfleiste. 4 ' Man könnte nun nach Bormann behaupten: also hat auch Bacon die Faerie Queen gedichtet. Eine weitere Kopfleiste, welche Bormann für symbolisch hält, ist die über dem Widmungsgedicht der ersten Folioausgabe: ,,Zwei Knaben liegen auf dem Rücken, ein Kaninchen rechts. back = Rücken. cony, con = Kaninchen, Eichhörnchen. Summa = Bacon.'* Die nämliche Kopfleiste entdecken wir in folgendem Werke: The Decameron, London 1620 prindet by Isaac Jaggard. Es sollen hier zum besseren Verständnis von Bormanns Er- klärungen der Kopfleisten und der Marken der einzelnen Drucke noch folgende Stellen aus seinem obigen Buche folgen: S. 52: Das Kaninchen ist sehr stark, mindestens eindutzend- raal auf den Blättern vertreten. Fügen wir noch hinzu, daß das Wort back-cony, das dem Genitiv Baconi sehr nahe steht, einen Kaninchenbock bezeichnet und daß der Kaninchenbock sehr häufig auf den Bildern zu finden ist, so wären die Elemente der Hiero- glyphensclirift der Titelblätter beisammen ... In der Mitte der Bilder, besonders der Kopfleisten, befinden sich Darstellungen, welch© auf den Namen als Ganzes Bezug haben, wie bacon (Speckwänste) back comb (Haarschmuck), Bilder, wo on back geschlagen wird. An den Seiten rechts und links sind Teilstücke des Namens. Bis- weilen sind es zwei Figuren, die back to back stehen. Da sehen wir eine Beere (bay, lat, bacca) die von einem Eichhörnchen (con) gefressen wird. 44 Wir wollen uns den Kommentar zu dieser „geistreichen 4 * Erklärung ersparen und in unserer Aufgabe fortfahren. Auf einem Flugblatt (1902) mit 70 Beweisgründen, daß Bacon den Shakespeare schrieb, schreibt Bormann unter Nr. 39. ,,Die alten, anonymen, teilweise auch die mit dem Namen Shakes- peare bezeichneten Ausgaben haben vielfach eine Kopfleiste, die rechts und links einen Vogel (bird) zeigt und in der Mitte ganz deutlich die Buchstaben ACON. Summa Bacon. 44 Digitized by Google — 25 — Hierbei kommen folgende Ausgaben in Betracht: 1. Romeo and Juliet, printed by Thomas Creed 1599 (anonym). 2. Henry V., printed by Thomas Creed 1600 (anonym), 3. Erstausgabe von Hamlet (1603) (anonym), Andere, besonders mit dem Namen Shakespeare versehene Aus- gaben, konnten für diesen Punkt nicht ermittelt werden. Nur bei den drei oben erwähnten kommt die fragliche Kopfleiste vor. Wir haben oben erwähnt, daß Bormann Bilder anführte, wo on back geschlagen wird, was Bacon bedeute. Sehen wir die Titelblätter der Einzelausgaben an, so finden wir dieses Bild in folgenden Aus- gaben : 1594 First part of the Consention between the two Houses of Lancaster and York. 1598 Henry V. 1599 Romeo and Juliet. 1600 Henry V. Alle diese Ausgaben sind anonym und von Thomas Creed ge- druckt. Wir wissen, daß Thomas Creed ein Sinnbild der Wahrheit als Druckermarke gebrauchte, wie ersichtlich ist aus Arnes, Typo- graphical Antiquities ed. by W. Herbert, London 1785 — 90, wo es heißt: .Thomas Creed used an emblen of truth, with a hand issuing from the clouds striking on the back of a figure with a rod; T. C. at the bottom, and this motto round it: Veritas virescit vulnere.' Dieses Bild ist also nichts anderes als ein charakteristisches Zeichen für den Buchdrucker Thomas Creed. Daß der Drucker mehrere verschiedene Kopfleisten und Schlußstücke zum Bücherschmuck besaß, ist daraus zu entnehmen, daß wir bei Henry V. 1600 und Romeo and Juliet 1599 die gleichen Kopfleisten antreffen, d. h. die in dem Flugblatt erwähnte, bei den andern beiden Ausgaben ver- schiedenen Kopfleisten. Die angeführte Hamletausgabe ist nur mangel- haft erhalten; das Titelblatt fehlt; auf der ersten Seite des Dramas findet sich die fragliche Kopfleiste. Klar wird die Sache, wenn wir ein anderes Buch von Thomas Creed hernehmen, welches mit Shakespeare und Bacon gar nichts zu tun hat. 1598 erschien: A Method for Traoull Shewed by Taking the View of France by Dallington. Schlagen wir das Titelblatt auf, so erblicken wir die bekannte Kopfleiste mit den 2 Vögeln und den beiden schrägliegenden A, woraus Bormann den Namen Bacon kon- struiert, sowie das bekannte Sinnbild der Wahrheit, das dem Buch- drucker Thomas Creed eigen ist. Ein anderes Buch von Thomas Creed zeigt die nämlichen Eigenschaften ,,The Wonderfull yeare" 1603 ohne Verfassernamen. Wir sehen also, daß diese ,, Kopf leisten 4 * und , .Bilder" ledig- lich charakteristische Zeichen für die betreffenden Drucker sind. Bormanns Behauptung ist also vollständig unbegründet. Wenn wir die alten Drucke aufschlagen, so fällt uns die große Anzahl der Küsswetter. 3 Digitized by Google — 26 — Eichhörnchen (cony) ins Auge ; wir können auf jedem Titelblatt Ent- deckungen machen, wie sie Bormann bei den Shakespeare-Ausgaben machte. Überall läßt sich mit Bormanns Phantasie der Name Bacon konstruieren. Ein sehr häufiges Ornament zeigt uns zwei Knaben, die on back liegend gegen einen Drachen mit dem Speere stoßen. Wollte Bormann hier den Namen Bacon lesen, so wäre dies leicht, da die Knaben on back (= Bacon) liegen. Würde er den Namen Shakespe are brauchen, so würde er sagen : Die Knaben stoßen, schütteln = (to shake) den Speer (speare), also Shakespeare! Wo Bormann nichts mit den Kopfleisten und den Drucker- marken machen kann, sieht er sinnreiche Spielereien auf dem Titel- blatt, die den geheimen Shakespeare Dichter enthüllen. Wir wollen hiervon nur eine „wissenschaftliche" Leistung Bormanns anführen, welche wohl die gelungenste sein dürfte. In „Venus und Adonis" S. 118 schreibt er: ,,Auf dem Titelblatte des Gedichts Venus and Adonis lesen wir: Vilia miretur vulgus : mihi flavus Apollo Pocula Castalia plena ministret aqua. Glattweg übersetzt lautet er: ,,Möge Geheimnis verehren das Volk, doch mir soll Apollo reichen die Becher gefüllt mit kastalischem Naß." Damit aber ist ein Wortspiel zugrunde gerichtet, das der Heraus- geber entschieden mit den ersten Silben beabsichtigte (Viliam). Lassen wir also das lateinische Vilia unangetastet und übersetzen nur die übrigen Worte, so erhalten wir: Vilia möge verehren das Volk ; doch . . . So erst springt es ins Auge, warum der englische Dichter gerade dieses lateinische Motto wählte und warum er es gerade an so auffälliger Stelle seines Titelblattes setzte. Denn der Doppelsinn ist kein anderer als der: Willia M (m)öge verehren das Volk . . . Mit andern Worten : „William diente mir als Strohmann ; William ist ein Pseudonym ; ich, der wahre Dichter, bleibe hinter den Kulissen." Wir wollen kein Wort über diese Erklärung verlieren. Uns fällt nur ein, ein wie wegwerfendes Urteil Bormann über seine Theoriegenossen Ignatius Donnelly, Owen und Mrs. Wells Gallup gibt. Es lautet („Shakespeare Dichter" etc. S. 8:) „Der zweite Band von Donnellys Great Cryptogram artet in ein Zahlendurcheinander aus und der Autor sucht so gewagte mathe- matische Kombination dem Leser aufzureden, daß alsbald ein allge- meines Kopfschütteln entstand und viele, die der Sache vorher günstig geneigt waren, sich ein für allemal abwandten. Die Arbeiten des Dr. Orville, W. Owen und der Mrs. Elisabeth Wells Gallup aber, die mehr oder weniger in Donnellys Fußstapfen treten, sind so eigentümlicher Natur, daß sie besser unbeobachtet bleiben." Digitized by Google — 27 — Also ein vernichtendes Urteil über Gesinnungsgenossen! Wer mehr gewagte Kombinationen seinen Lesern „ auf zureden" sucht, Bormann oder Donnelly, ist schwer zu entscheiden. Aber ein „all- gemeines Kopfschütteln' 4 muß auf jeden Fall auch bald über Bor- manns „Shakespeareforscherei" entstehen, das ist gewiß. Schluß. Es soll diese kurze Betrachtung keineswegs eine vollständige Widerlegung aller der von den Bormanern angeführten Gründe sein, vielmehr sollte sie lediglich ein Streifzug durch Borraanns mit un- ermüdlichem Eifer erscheinende Bücher sein. Das Urteil, das wir über Bormanns wissenschaftliche" Shakespeare -Forschung fällen, muß mit Rücksicht auf seine heftigen Angriffe gegen Spedding (Venus und Adonis S. 217), Kuno Fischer und Schipper ein hartes sein. Wer Bormanns Bücher der Reihe nach liest und seine Beweisführung aufmerksam verfolgt, dem drängt sich nach und nach die Überzeugung auf, daß Bormann nie und nimmer die Feder ergriffen hat, um für Bacons verkannte Verdienste einzutreten. Sehen wir uns den Preis seiner Bücher an, so machen wir die Beobachtung, daß sich Bormann für seine „Wissenschaft" ganz enorm bezahlen läßt. Shakespeare Geheimnis 22.50 Mk. 300 Geistesblitze 20.00 Mk. Venus und Adonis 22.50 Mk. Zwischen diesen größeren Werken erscheinen wieder kleinere, um die Neugier der Leser aufrechtzuerhalten. Im November 1903 erschien eine Bormannsche Schrift ,,In vierzehn Tagen", d. h. in 14 Tagen soll die Frage definitiv gelöst sein; auch im Figaro hat dieser Ruf Widerhall gefunden. Es erschien in diesem Blatt ein Artikel „Shakespeare menace", in welchem die Leser auf die Be- drohung des Ruhms Shakespeares durch den deutschen Shakespeare- forscher Edwin Bormann aufmerksam gemacht werden. Daß eine derartige Tätigkeit beim großen Volke Gönner findet, ist selbstverständlich; wie man aber Bormanns Werke „wissenschaft- lich" nennen kann, ist unklar. Wir haben deutlich genug gesehen, daß hier von Wissenschaft keine Rede sein kann. Bormann hat über Manuskripte, die er nie mit Augen gesehen hat, Behauptungen aufgestellt, die teilweise auf einer Erfindung be- ruhen, teilweise auf falscher Auslegung von Stellen. Beim Promus lag ihm eine mangelhafte Ausgabe zugrunde, beim Northumberland MS. ein wissenschaftliches Werk, das ein Mann 3* Digitized by Google — 28 — bearbeitet hatte, der sich zu seinem Lebenszwecke die Erforschung Bacons machte. Anstatt aus diesen gründlichen Forschungen eine gründliche Lehre zu ziehen, ließ sich Bormann in „Venus und Adonis" unwürdige Beleidigungen gegen Spedding zu Schulden kommen, weil dieser die ,,scribblings" nicht in Bormanns Sinne auslegte. Wir haben Bormanns tiefsinnige Erklärung von honorificabili- tudinitatibus und der Titelblätter gehört und gesehen, auf welche einfache Weise Bormann zu widerlegen ist. Bormanns Ruhm ist nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland, insbesondere in England, verbreitet. Seine Werke sind auch ins Englische übersetzt worden. Es hat ja überhaupt die Frage mehr die Engländer und Amerikaner beschäftigt als die Deutschen. Sie wird voraussichtlich auch nicht zur Ruhe kommen, umsomehr als sich immer wieder phantastische Köpfe finden, welche sich be- rufen fühlen, zerstören zu müssen, was die gründliche und wissen- schaftliche Shakespeare-Forschung im Laufe der Zeit geschaffen hat In seiner Verblendung schreibt Bormann nach dem Muster anderer Baconianer in den 300 Geistesblitzen Bacon sogar alle da- mals erschienenen dramatischen Werke zu, insbesondere die Marlowes, welcher Name weiter nichts ist als ein Anagramm des Wohnorts und späteren Barontitels von Francis Bacon. V e r o u 1 a m Marlovve (v=u) Demnach müßte also Bacon ein Dichter von ganz gewaltiger Schöpfungskraft gewesen sein. Ein schönes Wort mag hier zum Schluße angeführt werden, welches die Frage vom psychologischen Standpunkt aus verneint. Professor Dr. Heußler schreibt in einem Aufsatze über Francis Bacon (Basel 1889) Kapitel „Shakespeare und Bacon": „Das entscheidende Wort, das alle weiteren Untersuchungen abschneidet, hat in dieser Sache die Psychologie zu sprechen. Wer jene Frage aufwirft, setzt nämlich voraus, daß Bacon in eminentem Sinne Poet gewesen sei. Das muß sich aber wie bei Goethe, wie bei allen Dichtern in der ganzen Denkart zeigen. Man hat die Be- geisterung des Redners für das heilige Feuer der Dichtung gehalten. Daß er kein Dichter ist, kann man aus seinen Bildern so deutlich wie möglich ersehen. Bei Bacon sind gerade die originellsten Bilder nicht nur nicht spezifisch poetisch, sondern exquisit prosaisch." Spezialdruckerei für Dissertationen, Robert Noske, Borna-Leipzig. Digitized by Google Lebenslauf. Der Verfasser vorliegender Arbeit. Hans Küsswetter, evangelischer Konfession, wurde geboren am 1. Juli 1878 zu Ehingen Bezirksamt Dinkelsbühl in Bayern, als der jüngste Sohn des nunmehrigen königl. Försters a.D. Karl Küßwetter und seiner Ehefrau Rosina, geb. Hauerstein, in Ehingen. Im Jahre 1888 trat er in das Gymnasium zu Ansbach ein, das er 1897 absolvierte. Hierauf bezog er abwechselnd die Universi- täten zu Erlangen, München, Lausanne, um sich dem Studium der neuern Sprachen zu widmen. Im Jahre 1900 legte er die Prüfung für die romanische und 1902 für die englische Philologie in München ab. Die ersten Monate des Jahres 1903 verbrachte er in London zur Herstellung vorliegender Abhandlung. An Ostern desselben Jahres trat er in Hamburg in die Realschule von Dr. W. Lange als Lehrer für die französische und englische Sprache ein. Im Jahre 1905 bestand er den II. Abschnitt der Lehramtsprüfung. Digitized by Google I Digitized by